.. auf einmal verschwinde ich. Mein Körper fühlt sich nur noch wie eine Kontur an. Sieht man mich überhaupt? Vielleicht will ich ja gar nicht gesehen werden. Dieser Gedanke gefällt mir. Eine Tarnkappe, ein Mantel, den man sich überwirft und dann verschwindet und trotzdem sehen kann.
Ich bin ein Geist!
Transparent durchsichtig,
sehend nicht gesehen werdend!
Beinahe ein Chamäleon,
das sich der Umgebung anpasst.
Ich verschwinde und glaube, ich tue es, weil ich es will.
Ich löse mich
auf
dem Hintergrund des schwarzbraungrünen Baumes auf.
Aufgehen in einer Umwelt, ohne Identität:
Das ist Erlösung!
Bisweilen nur die Charakterkonturen in Farbe und zum Vorschein
komme ich:
Dort…
1
.. ist es Herbst im Übergang zum Winter. Dort, wo ich wohne, ist es schön, gefällt es mir. Es ist Nacht. Mitternacht. Kühl bis kalt. Das Schattenspiel der Äste, Wolken und der vorbeiziehenden Menschen ist wie eine Geschichte, die nur die Nacht erzählen kann. In dieser Dunkelheit fühle ich mich wohl. Ich lebe doppelt: Am Tag der Mann mit Schlips, für alle sichtbar, das, was sie von mir erwarten. In der Nacht schlüpfe ich unter meinen Tarnmantel und verschwinde in der absoluten Losgelöstheit, frei von jeglichem äußeren Muss. Ich gehe sparzieren, die Hände in den Hosentaschen, spüre noch den Sand vom Sandkasten zwischen meinen Fingern, erinnere mich an meinen besten Freund, der mir das Feuerwehrauto kaputt gemacht hat… Irgendwie löst diese geheimnisvolle Umgebung ein tiefes Vertrauen in mir aus. Das Dunkel kenne ich, die Schatten kenne ich. Ich fühle mich ganz unbeobachtet – bunt! Warum brauche ich diese alles auflösende Dunkelheit, um mich wohlzufühlen…?<
Das Nichts, um mich überhaupt zu fühlen.
die Blindheit, um meine anderen Sinne zu fühlen. Sie sind da,
ich bin da
und ich bin eine Frau!
Mit allen zu Verfügung stehenden Sinnen, einen blauen Rock tragend,
und einen gelben Blouson – leichtfüßig im Trippelschritt,
durch das ganze Bild,
ein Zauber
wird es zu einem sonnenblumenreichenbunt-hellen Ausdruck meiner selbst!
Ein geordnetes Chaos, Zufriedenheit ausstrahlend, belebt die Schattentiefe!
Der Liebeswidmung schwarze Rose, auferstanden aus des Todes Reich:
Ach, wie schön bin ich doch!
2
„Ich bin nicht in der Lage, dieses Wunder an Herrlichkeit zu greifen, geschweige denn in Worte zu fassen. Mein Auge haftet an der Vielschichtigkeit der Flächen, jede für sich ein Ausdruck, Persönlichkeit ausstrahlend. Ich möchte hineinspringen, darin schwimmen, eintauchen in den Berg der Emotionen. Ich fühle klar seine Kälte. Die Freundlichkeit des Todes. Er liebt mich. Wie seltsam, denke ich. Ich stehe mit dem Rücken zu ihm. Wie seltsam, denke ich, ich habe keine Angst. Ich sehe die Hölle und ich sehe den Himmel. Und ich weiß, es ist nur meine Entscheidung, wohin ich schauen will. Ich verschwinde und glaube, ich tue es, weil ich es will. Es stimmt ja: Ja, ich tue es, weil ich es will, weil ich mir meiner Entscheidung bewusst bin. Das ist das Tor zum Himmel: Bewusstheit!
Ich verharre, ich denke nach… und plötzlich wird mir ganz warm ums Herz. Ruhe ergreift mein Inneres. Ein tiefes Wissen. Ich drehe mich um, erblicke das erste Mal ganz bewusst diese beiden Welten: Schatten und Licht! Diese Größe. Eine Größe, in der der Mensch seine eigene angemessene Größe erkennt! Unanmaßend, feststellend, nicht wertend – einfach nur im Sein seiend!
Cornelia Hargesheimer / 25-10-17